sobota 19. března 2016

(Tschechische Sichtweise) Migration: Herausforderung oder Problem?

Die Flüchtlingskrise ist für viele Menschen zum wichtigsten Thema der heutigen Zeit geworden. Ich würde gern mit diesem Beitrag meine Sichtweise auf die Situation nahebringen und idealerweise auch eine interessante, beiderseits förderliche Debatte über diese Frage auslösen.

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Zum wahrscheinlich am häufigsten diskutierten Thema in der gegenwärtigen Zeit wurde die Flüchtlingskrise. Und berechtigterweise: Die tschechische öffentliche Meinung weicht nämlich stark von der gegenwärtigen politischen Linie der EU oder der Bundesrepublik Deutschland ab, für die Tschechische Republik der wichtigste wirtschaftliche Partner. Ich denke aber nicht, dass diese Einstellung durch die Intoleranz der Mehrheit der Tschechen gegenüber Menschen anderer Kulturen und Religion verursacht wurde. Selbst die begeistertsten Verfechter des Nationalismus müssen sich eingestehen, dass zum Beispiel die indische, vietnamesische oder ukrainische Minderheit den Tschechen keine Probleme machen, dass sich durch ihre Präsenz die Kriminalität nicht erhöht hat und dass sie keine gemessene Belastung für den tschechischen Haushalt darstellen. Eine Schwierigkeit tritt selbstverständlich in dem Augenblick ein, wenn dieser Mensch erfährt, dass es sich um einen Muslimen handelt. In diesem Moment hören alle Argumente auf zu gelten und es ist unmöglich eine vernünftige Diskussion zu führen. Die tschechische Öffentlichkeit, ähnlich wie die Öffentlichkeit vieler weiterer Länder des ehemaligen Ostblocks, betrachtet den Islam als etwas Neues, Gefährliches, gegen das man kämpfen muss. Diese Überzeugung ist in der Tschechischen Republik vorherrschend und einer der vielen Argumente, mit denen ich mich auseinandersetzen werde.


Ein sehr häufiges Argument ist die islamische Intoleranz und der fehlende Wille sich der mehrheitlichen Bevölkerung anzupassen. Das wird insbesondere bewirkt durch die Präsenz islamischer terroristischer Organisationen wie der IS, Boko Haram, Al-Kaida, Taliban und vielen weiteren. In der Flut von Artikeln darüber, wie viele Menschen diese Organisationen getötet und was sie alles zerstört haben, ist es viel einfacher Schlussfolgerungen über die Intoleranz des Islam gegenüber Menschen eines anderen Glaubens und anderer Meinung zu ziehen. Auf dieselbe Weise könnten wir wohl als üblichen Vertreter des christlichen Glaubens beispielsweise den Ku-Klux-Klan betrachten, was ein wenig vereinfacht und eine ziemlich unlogische Erklärung ist.


Eine bedeutende Rolle spielen hier auch die historischen Aspekte. Böhmen wurde sehr oft in Kämpfe mit den Türken verwickelt. Erinnern können wir uns zum Beispiel an Ludvík Jagellonský, der bei Moháč getötet wurde. Die Türken waren auch sehr lange eine der größten Bedrohungen für die Habsburgermonarchie. Es ist deshalb naiv anzunehmen, dass sich die tschechische Öffentlichkeit zu den Beispielen der friedlichen Koexistenz der Christen und Muslime hinneigt, z.B. in der Zeit des Byzantinischen Reiches oder im jetzigen Tansania (wo ein Drittel der Bevölkerung christlich, das zweite Drittel muslimisch und das letzte Drittel einen ursprünglichen Glauben hat und sie respektieren sich gegenseitig), wenn unmittelbar in der tschechischen Geschichte Fälle von islamischen Angriffen sind.


Unter den Gegnern der Migration sind auch einige qualifizierte führende Persönlichkeiten, die einfache Lösungen von komplizierten Problemen anbieten können. Sehr gut arbeiten sie mit negativen Emotionen, die oft absichtlich anfachen, sie haben beliebte Slogans und können einen großen Teil der Öffentlichkeit fesseln. Für viele politische Persönlichkeiten wurde auch der „Kampf“ mit der Migration zu einem hervorragenden Weg Wahlstimmen zu bekommen.


Auf der anderen Seite versuchen Verfechter der Aufnahme von Migranten oft ihre Lösungen mit Gewalt durchzusetzen (die oft unrealistisch sind), und das zum Missfallen eines beträchtlichen Teils der Bevölkerung. Ich betrachte diese Handlungen als Fehler, weil ich davon überzeugt bin, dass es nur zur Radikalisierung der Gesellschaft führt. Wir leben in einer demokratischen Gesellschaft und gegen Migration ist eine zu große Zahl von Leuten, als dass man es ignorieren könnte. Es ist deshalb unerlässlich eine Lösung zu finden, mit der beide Lager einverstanden sind. Selbst in der Tschechischen Republik gab es schon eine Flüchtlingskrise. Während des Krieges in den Ländern des ehemaligen Jugoslawien (darunter Bosnien und Serbien) kam eine große Zahl von Migranten in die Tschechische Republik. Es war um ein Vielfaches mehr, als die EU der Tschechischen Republik zugeteilt hat, und obwohl damals unstimmige Meinungen aufkamen, verlief der ganze Prozess mehr oder weniger ruhig.


Womit wir zu einem weiteren wichtigen Punkt der tschechischen Sichtweise auf die Migration kommen. Viele Tschechen sind davon überzeugt, dass uns die die gesamte Krise überhaupt nicht betrifft, wenn uns die EU, die nicht mehr ganz beliebte Organisation, darin nicht mit einbezieht. Diese Sichtweise ist schlecht, besonders weil die Tschechische Republik aus ihrer Mitgliedschaft in der EU nur gewinnt, und das sowohl finanziell als auch politisch. Die Flüchtlingskrise ist in jedem Fall ein gesamteuropäisches Problem und ganz Europa sollte es lösen (die Partizipation der Tschechischen Republik ist genauer gesagt darunter). Und der letzte Grund ist die Selektion der Informationen. Während die Zeitungen voll sind von den Vorfällen in Calais, wurde über die erfolgreiche Integration der türkischen Minderheit in Deutschland sehr wenig geschrieben. Hier versagen die Medien meiner Meinung nach. Selbst die Boulevardzeitungen, die die Aufnahme von Flüchtlingen unterstützen, benutzen die Krise in erster Linie zur Erhöhung ihrer Leserzahl und das, wie ihre Artikel die Leser beeinflussen, ist nicht so interessant. Ja, ein Artikel über die erfolgreiche Integration, der weder manipulativ noch täuschend ist, lesen viel weniger Menschen. Ist es nicht aber vor allem der Sinn der Medien der Öffentlichkeit wahrheitsgetreue, wissenschaftlich belegte Informationen zu vermitteln? Und mehr noch, ein genauer und wissenschaftlicher Artikel wöchentlich würde gewiss keine Katastrophe für den Haushalt eines Medienhauses verursachen.


Nun, da ich mich mit den Gründen beschäftigt habe, warum meiner Meinung nach ein Teil der tschechischen Gesellschaft mit der Migration nicht einverstanden ist (bzw. genauer mit der islamischen Migration), erörtere ich auch meine eigene Meinung zu der ganzen Problematik. Ich würde gern damit beginnen, dass wir Mitglieder der V4, der Visegrád-Gruppe, sind. Einwohner der Slowakei, Ungarn und Polen haben zu der derzeitigen Entwicklung ähnliche Meinungen wie die Tschechische Republik, und deshalb wäre es gut eine Lösung zu finden, der auch Bewohner dieser Länder zustimmen. Weiterhin ist mir nicht klar, inwiefern es sinnvoll für die Integration von Flüchtlingen ist, wenn man sie in sogenannten Flüchtlingslagern festhält. Diese Methode kann nicht zu einer Integration führen - das einzige, was man erreicht, ist die Bildung geschlossener Gemeinschaften, die weder in Kontakt mit der tschechischen Kultur noch mit tschechischen Bewohnern kommen. Die Länder des ehemaligen Ostblocks haben mit der Lösung von Migration nahezu überhaupt keine Erfahrungen. Deshalb denke ich, dass es nötig ist die Länder Westeuropas in die Integration bei uns mit einzubeziehen. Flüchtlingshilfe sollte professionalisierter sein - ehrenamtliche Hilfe ist natürlich auch unerlässlich, jedoch nicht langfristig durchführbar.


Meine Idee würde auf der Bildung eines wissenschaftlichen Teams basieren, das sich mit übereinstimmenden Zügen erfolgreich verlaufener Integration in den westeuropäischen Ländern beschäftigt - das Kontakt mit ausländischen Experten, integrierten Migranten hat und all sein Bestreben wäre die Entwicklung eines „idealen“ Integrationsmodells. Nach dessen Vollendung würde dieses Modell direkt in der Tschechischen Republik, bzw. in den Ländern der gesamten V4 intensiv getestet werden und falls es sich bewährt, könnte unsere Republik eine viel größere Zahl an Menschen aufnehmen und erfolgreich integrieren als heutzutage. Solange dieses Modell nicht existiert, wird es für Flüchtlinge besser sein, den Integrationsprozess Staaten zu überlassen, die damit mehr Erfahrungen haben. Die Tschechische Republik würde ihnen für die Integration eine ausreichende Menge an finanziellen Mitteln gewähren, zusammen mit z.B. Sanitätspersonal und weiterer nützlicher Unterstützung. Die Zeit, bevor die Entwicklung eines tschechischen Integrationsmodells durchgeführt wird, könnte gut genutzt werden, um der tschechischen Öffentlichkeit die gesamte Problematik zu erklären. Und das ruhig, ohne hasserfüllte und emotionale Ausdrücke. Ich glaube, dass dieser ruhige und wissenschaftliche Prozess auf die tschechische Öffentlichkeit sehr positiv wirken würde, besonders auf Bürger, die noch keine eindeutig ausgeprägte Meinung zur ganzen Problematik haben.


Ich möchte gern in einer optimistischen Stimmung enden. Ich glaube, dass die tschechische Gesellschaft fähig wäre, Migration als interessantes Angebot zu akzeptieren und den Flüchtlingen bei der Integration zu helfen. Meiner Meinung nach sind dafür drei Dinge nötig, und das sind positive Beispiele aus dem Ausland, ein durchgearbeitetes Integrationsmodell und eine bessere Arbeit mit öffentlichen Meinungen. Eine Unmenge von Menschen und Organisationen kämpfen für die sogenannten westlichen, demokratischen Werte. In ihrem Streben nach dem Guten vergessen sie allerdings Rücksicht auf die Meinung eines bedeutenden Teils der öffentlichen Meinung zu nehmen. Der gesamte Integrationsprozess muss gewiss Regeln haben, er sollte mit Vernunft durchgeführt und gut geplant werden. Ich verstehe das Verlange einiger Organisationen nach einem schnellen Sieg, nach sofortiger Hilfe für eine größtmögliche Zahl an Menschen. Aber ein wirklicher und langanhaltender Erfolg ohne die Unterstützung der Öffentlichkeit kann dieses Mal nicht möglich sein. Und der erste Kampf sollte gerade um den Gewinn dieser Unterstützung geführt werden. Die Tschechische Republik hat dafür keine gute und funktionierende Integrationsmethoden oder Hilfe für Flüchtlinge. Und ich denke, dass die Entwicklung dieser Methode Priorität vor voreiligen Aktionen oder Äußerungen haben sollte, die zwar die Meinung eines Einzelnen oder einer Organisation repräsentieren, aber keine Lösungen bringen und nicht am besten auf den unentschlossenen Teil der Öffentlichkeit wirken. Solange wir mit Bedacht helfen und langfristig, helfen wir viel mehr Menschen, als wenn wir uns auf einmalige und voreilige Aktionen einlassen, mit denen wir aus langfristiger Sicht nichts lösen.
Autor: Jan Martínek
Übersetzt ins Deutsche: Sandra Bösel

(Der ursprüngliche Text wurde Ende 2015 für den Wettbewerb der Václav Havel Bibliothek geschrieben)

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