Diese Problematik ist sehr kompliziert und umfangreich, daher wird sie nur
kurz zusammengefasst. Natürlich werden deshalb darüber so lange mehr oder
weniger kontroverse Diskussionen und Debatten geführt. Dennoch versuche ich
wenigstens kurz meine persönliche subjektive Ansicht zur Ansprache der
Kanzlerin Merkel oder auch Mutti Merkel zu vertreten. Oder eher Omi Merkel, wie
es mir zumindest in der Neujahrsansprache vorkommt.
Sie ist sehr
sorgsam geschrieben. Zuerst lobt sie alle für ihre bisherigen Anstrengungen,
dann fordert sie die Bevölkerung zur dringen Fortsetzung ihrer Bemühungen auf.
Das Hauptthema sind natürlich Migranten. Sie ist bemüht, die Leute zu
beschwichtigen und zu ermutigen. Die gesamte Ansprache hält sie mit einer
ruhigen, leisen Stimme, mit einer Intonation als würde sie das Märchen von
Hänsel und Gretel erzählen. Sie verspricht wirtschaftliche Vorteile und soziale
Nutzen. Das alles für ein wenig Mühe, Anstrengung und Geld….wie Horst Fuchs
sagen würde: „und das zahlt sich aus“.
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Sie gibt zu,
dass sie vor einer großen Aufgabe stehen, die Integration von Migranten, die nie
mehr in ihre Heimat zurückkehren. Ich selbst habe bei ihrer Ansprache das
Gefühl, dass das alles natürlich schrecklich naiv ist. Schließlich habe ich die
ganze Zeit bei der Ansprache, hauptsächlich bei ihrer Diktion, Intonation und
Mimik, eher an irgendeine magische Großmutter aus dem Märchen gedacht.
Ich selbst
lebe seit ich 16 Jahre alt bin in Österreich. Ich war dort auf einem
tschechischen Gymnasium und lebte ohne meine Eltern im Internat, derzeit wohne
ich dort in einem Wohnheim. Aus meiner eigenen Erfahrung kann ich sagen, dass
die völlige Integration, wie sie sich Omi Merkel erträumt, nicht möglich ist.
Deutsch habe irgendwie erst an der Universität gelernt. An unserem Gymnasium waren
sie förmlich stolz darauf, dass sie Tschechisch auch in den Familien
durchsetzen.
In Wien gibt
es jetzt das große Problem, dass jeder 7. Erstklässler kein Deutsch versteht.
Meine zwei besten Freundinnen sind, trotzdem ich seit 7 Jahren in Wien lebe,
zwei Tschechinnen. Ich sehe mich oft mit ihnen. Wir wissen, dass wenn wir in
Tschechien leben würden, wir uns wahrscheinlich nicht zusammen unterhalten
würden. In Wien haben wir gemeinsam, dass wir einander in vielem verstehen.
Offen
gesagt, selbst für Migranten gibt es keinen Honig. Zuhause ist Zuhause. Das
kann ich zu hundert Prozent bestätigen. Ich bin in einem sehr jungen Alter
weggezogen. In der Zeit, als ich kennenlernen und lernen wollte, war ich von
allem Neuen begeistert. Noch hatte ich nicht so ausgeformte Prioritäten und
Meinungen. Aber plötzlich auf einem anderen Kontinent in Not geraten?
Wenngleich im erwachsenen Alter? Ohne Familie, die man sehr schwer irgendwann
erneut wiedersieht?
Österreich-Ungarn
zerbrach vor etwa 100 Jahren. Und dennoch verstehe ich die Österreicher nach 7
Jahren in vielen Dingen nicht, wobei unsere Mentalität nicht historisch,
religiös, geografisch unterschiedlich ist, aber die Erziehung in der Schule
wiederum sehr.
Es ist
wahnsinnig naiv zu denken, dass es möglich ist Millionen von Menschen zu integrieren.
Ich kenne
eine Tschechin, die seit 9 Jahren in Wien lebt. Sie kann kein Deutsch. Weil sie
nicht muss. Sie hat einfach entschieden, dass sie Deutsch nicht lernen wird und
will. Punkt. In der heutigen Zeit ist das nicht ungewöhnlich. Im Billa fragt
euch die Verkäuferin an der Kasse nur, ob das alles ist, und ob ihr eine
Kundenkarte habt. Die tschechische Minderheit in Wien ist bei weitem nicht so
zahlreich wie die Minderheiten anderer Nationalitäten. Und dennoch
ist hier der
tschechische Kindergarten, die Schule, das Gymnasium, der Zahnarzt Arzt,
Arbeiter in einer Zweigstelle der Bank Austria.
Sie hat zwei
Kinder, der Staat zahlt ihr anstatt ihres Mannes Alimente. Und sie ist zuhause.
Sie schaut Nachrichten im Internet und Frauentausch im Fernsehen. Um die
Arbeitslosenunterstützung ist sie bereits gekommen, aber als Mensch an der
österreichischen Armutsgrenze hat sie Anspruch auf eine staatlich finanzierte
Sozialwohnung, sie muss keine Fernsehgebühren zahlen, hat ein Jahresticket für
den Nahverkehr, bekommt einen kostenlosen Deutschkurs, um wenigstens bis 10
zählen und einige Präpositionen zu können. Nach 9 Jahren.
Unsere
europäischen Sozialsysteme sind ziemlich löchrig. In Tschechien haben wir auch
das Problem mit der Integration der Roma-Minderheit, wobei diese hier mit uns
schon einige hundert Jahre leben. Denkt ihr wirklich weiterhin, dass es möglich
ist solch eine Masse von Menschen zu integrieren? Und glaubt ihr, dass daran
auch Omi Merkel glaubt?
Und wenn sie
viel mehr wollen würden….auf eine Arbeitserlaubnis hat ein Asylant dem Gesetz
nach ein Anrecht nach einem Jahr. Ich persönlich habe nach Monaten Ferien ein
Problem zu meinem ursprünglichen Arbeitstempo zurückzufinden. Desweiteren ist
die heutige Zeit schnell. Es ist schwer Schritt zu halten und für den
Arbeitsprozess gilt das Doppelte.
Die
Ansprache ruft in Tschechien verschiedene Reaktionen hervor. Einige wollen viel
helfen. Immer noch haben sie vor ihren Augen Bilder von flüchtenden Frauen und
Kinder, die die Medien uns noch vor einem halben Jahr zuschoben. Bis heraus
kam, das 80% der Migranten erwachsene gesunde Männer sind. Krieg ist eine
schreckliche Sache, da gibt es keine Debatte. Leider denke ich aber, dass diese
Situation komplizierter ist, als sie aussieht und nur so wird sie nicht enden.
Solange die großen Mächte den Krieg unterstützen, den Krieg als Business, also
wir, egal ob wir darüber diskutieren wie wir wollen, so werden wir damit nichts
bewältigen.
Auf der
anderen Seite stehen Menschen, denen die Begünstigung der Migranten einfach
unfair erscheinen. Ich rede hier von diesen sogenannten Wirtschaftsmigranten.
Aber es erklingen auch Menschen, die vor dem Krieg in der nicht so fernen
Vergangenheit flohen.
Migranten
bekommen ein Dach über dem Kopf, drei warme Mahlzeiten täglich. Taschengeld.
Rechtshilfe. Kleidung. Kostenloses Wi-Fi. Wenn sie zu spät zum Mittagessen
kommen, bleiben für sie nur Brötchen und Hähnchenroulade übrig, also regen sie
sich auf, schreien und die öden Behausungen fotografieren sie theatralisch mit
ihrem Handy (mit einer Gruppe aus der soziologischen Fakultät habe ich eine
Asylantenunterkunft besucht). Das alles, ohne dass jemand wissen würde, um wen
es sich handelt und woher er kommt. Solange einem tschechischen Obdachlosen
Dokumente gestohlen werden, so bedarf es fast unmenschlicher Kräfte, dass er
seine ganz und gar berechtigten Einkommen einholen kann.
Mit Beginn
des Winters sind sie in der Wärme der Asylunterkunft, während europäische
Obdachlose auf dem Wiener Hauptbahnhof in einem Schlafsack schlafen, den
Migranten dort ließen. Also kann er noch über diese Massenwelle am Ende froh
sein.
In dieser
Problematik stört mich persönlich die Aggressivität der Leute, die für die
Migration sind. Ich nehme niemandem seine Meinung, auch nicht entkräften. Im
Gegenteil bin ich sehr neugierig und es interessiert mich, was und warum
gegebene Person so denkt. Als ich aber irgendeine Frage stellte, so wurde ich
bezichtigt, dass dies eine „Anstiftung zum Hass“ ist. Omi Merkel ruft in der
fünften Minute zur Toleranz anderer Meinungen auf. Nachfolgend verurteilt sie
alle, die laut ihr „kalte Herzen haben“. Kalte Herzen? Wahrscheinlich zielt
diese „Toleranz“ nur in eine Richtung. Sooft ich mich auch an Diskussionen
versuche (Diskussionen, keine Vergewisserung, kein Anstacheln, kein Streit),
werde ich als unmenschlich bezeichnet. Wo ging uns die Meinungsfreiheit verloren?
Was ich in
Österreich am meisten merke ist die Naivität. Die Naivität, dass alle Menschen
nett sind. Alle haben gute Absichten. Das größte Problem aber beobachte ist,
dass alle um mich herum einen Messiaskomplex haben. Wir retten sie alle, dann erziehen
wir sie um. Warum wollen wir alles (und uns selbst) ändern, umerziehen,
„verbessern“? Das hat mit Toleranz überhaupt nichts gemeinsam.
…Wir zeigen
ihnen, dass unsere Werte die richtigen sind. Wir zeigen diesen Bösen,
Ungläubigen unsere einzige Wahrheit. Unser Umgang mit Frauen ist der einzig
Richtige. Wir retten ihnen das Leben, also die Seele. Das ist meiner Meinung
nach gefährlich. Wahrheit ist subjektiv. Und es gibt niemals eine einzige. Und
Menschen sind nicht nur gut, das Gute ist auch subjektiv. Die Frage der
Sicherheit wird sehr unterschätzt, wobei in Österreich Migranten überhaupt kein
Fingerabdruck abgenommen wird. Es existiert überhaupt keine komplexe ärztliche
Untersuchung.
Seit dem
Erlass der Beneš-Dekrete, lernt man hier in Tschechien in Grundschulen, dass
das Volk die Menschen sind, die innerhalb der Grenzen leben, die dieselbe
Muttersprache sprechen. Gustav Husák verkündete, dass Grenzen keine Promenaden
sind. Noch nicht vor langer Zeit mussten wir Pässe an den Grenzen zeigen,
wartend in stundenlangen Schlangen, beweisen, dass wir genug Mittel zum
Aufenthalt haben. Und noch vor kurzem (bis 1.5.2011) hatten Tschechen keine
Möglichkeit in Deutschland zu arbeiten. Damals öffnete Deutschland die Arme
nicht nur Kriegsopfern, aber auch schon (in den Medien genannte)
Wirtschaftsmigranten. Warum konnten Tschechen kein „Beitrag sein“ und jetzt
geht das plötzlich?
In der
Vergangenheit mussten Menschen den Antrag stellen, manchmal aus ihrem
Heimatland und erst nach der Überprüfung der Bewilligung konnten sie sich auf
den Weg machen.
In der
Vergangenheit musste man Asyl im ersten sicheren Land beantragen.
In der
Vergangenheit konnten Tschechen sogar nach dem Beitritt in die EU in
Deutschland nicht arbeiten.
In der Vergangenheit
konnten sich Tschechen sogar nach dem Beitritt in die EU nicht länger als 3
Monate ohne Erlaubnis in Deutschland aufhalten.
In der
Vergangenheit empfing man nur Flüchtlinge aus Kriegsgebieten.
In der
Vergangenheit wurden keine Wirtschaftsmigranten akzeptiert.
Und auch
überhaupt keine Menschen mit gefälschten Dokumenten.
Warum gibt
es hier plötzlich so viele Ausnahmen? Menschen verstehen das in Tschechien
nicht, deshalb sagen sie einfach, Oma Merkel hätte sie eingeladen, wir wissen
nicht warum, also kümmert sie sich allein um sie.
Wahrscheinlich
das hier Geschriebene nach aktuellem Maßstab sehr kontrovers, unmenschlich,
mutig. Was unglaublich schade ist, wenn jemand das so sieht. Ich vertrete nur
die Ansicht einer Minderheit. Einer Minderheit, die fragt, nicht alles
schluckt, was ihr jemand vorsetzt. Kritisch nachdenken.
Oder auch
nicht kritisch nachdenken, aber wenigstens nachdenken.
Einer
Minderheit, die sieht, dass hier in der ganzen Situation einfach etwas nicht
klappt.
Jede Münze
hat zwei Seiten. Und Tschechen sind gewöhnt an zensierte und gelogene
Nachrichten aus der Zeit des Kommunismus. Sie sind sehr sensibel, wenn sie
sehen, dass etwas toll, einzigartig, vorteilhaft, fabelhaft sein soll.
Zum Schluss
wünsche ich mir nur, dass vielleicht dieses Märchen von Omi Merkel mit einem
guten Ende ausgeht. Wie Hänsel und Gretel von den Gebrüdern Grimm. Und nicht
wie eines von Hans Christian Andersen.
Autorin:
Hedvika Dobrozemská
Fotos: Hedvika Dobrozemská
Fotos: Hedvika Dobrozemská
Deutsch-Übersetzung: Sandra Bösel
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